Mehr als drei Jahre lang lag sie im untersten Fach meines Bücherregals: Die Maske von Angela Merkel. Ein Pappkarton, der die Gesichtskonturen und die Frisur der deutschen Kanzlerin abbildet. Einst gekauft während eines Wochenendes in Amsterdam, dann, einmal abgelegt, nicht mehr berührt und nicht bewegt. Doch am 14.12.2015 kam der Tag, als ich die Maske wieder in meine Hände nahm: Ich packte sie in meinen kleinen schwarzen Koffer für Paris. Am nächsten Morgen sollte sie mit mir in die französische Hauptstadt reisen. Denn Angela Merkel hatte mich mit ihrem Erfolg in der Flüchtlingspolitik beim CDU-Parteitag in Karlsruhe zu einem einzigartigen Moment der Bewunderung bewegt.
Dort hatte es die 61-Jährige am selben Tag geschafft, den Kurs ihrer offenen Flüchtlingspolitik zu verteidigen. Mit einer flammenden Rede hatte sie die vielen Kritiker ihrer Partei beschwichtigt, die wochenlang eine Obergrenze gefordert hatten, um die Anzahl der Schutzsuchenden in Deutschland mit einer fixen Zahl zu limitieren. In ihren mehr als einstündigen vorgebrachten Worten wiederholte sie ihr Credo des „Wir schaffen das“. Sie beschwor die christlichen Prinzipien der CDU und erklärte, dass sie einem „humanitären Imperativ“ gefolgt sei, als sie Anfang September die gestrandeten Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland holen ließ. Sie beteuerte die Würde jedes einzelnen Menschen, egal welcher Herkunft, die es erfordere, jeden einzelnen Flüchtling menschenwürdig zu behandeln.
Für mich waren das unheimlich wohltuende Worte, hatte mich doch das Elend der vielen Flüchtlinge während ihrer langen Odyssee durch Europa ergriffen. Erst zwei Tage vorher, also am Samstag, den 12.12., hatte ich ihre missliche Lage bei der „Drehscheibe Köln“ mit eigenen Augen gesehen. Nachdem sie mit dem Zug ankommen, werden die Menschen aus Syrien, Afghanistan und Irak dort mit Essen, Kleidung und Medizin akut versorgt, dann geht es für sie weiter in Erstaufnahmeeinrichtungen in NRW.
Umso beeindruckender Merkels menschliches Antlitz, das sie in Karlsruhe zeigte und von ihren Parteigenossen forderte. Und dann ihr wahnsinniger Durchbruch: Nur zwei der 1001 Delegierten stimmten gegen ihren Kurs. Damit ist die Forderung nach einer Obergrenze bei der CDU vom Tisch.
Vielleicht war es ganz unbewusst die Assoziation mit diesem menschlichen Gesicht, die mich an meine Merkel-Maske in meinem Bücherregal denken ließ. Und so keimte in mir die vage Idee, sie mir in Paris überzustülpen. Doch das nicht allein, sondern mit François Hollande an meiner/ ihrer Seite. Damit wollte ich an die deutsch-französische Freundschaft und den Motor der Integration Europas zu Zeiten erinnern, in denen sich viele Länder abschotten und Rechtspopulisten immer mehr Anhänger gewinnen – Erst am Sonntag (13.12.) hatten in der zweiten Runde der Regionalwahlen 27% der Franzosen den Front National gewählt. - Die gegenwärtige Situation Europas ist wie die Flüchtlingskrise ein Missstand, der mich heftig umtreibt.
Um meine Idee in Paris zu realisieren, brauchte ich jedoch noch eins, das Konterfei von Hollande. Und so passierte es, dass ich am Abend vor meiner Abreise zu Hause nach einem Laden googelte, der solche Produkte in Paris anbietet. Doch meine Suche mit „Masque de visage + hommes politiques + magasin + Paris“ ergab keine Treffer. Vielleicht auch besser so, dachte ich mir. Denn wohl würde ich Caroline zu viel abverlangen, müsste sie mich im riesigen Paris zu einem Maskenladen begleiten, wo unsere gemeinsame Zeit doch so kostbar ist.